Toni Innauer

Dreikönigstag

Die Sportgeschichte ist reich an dramatischen und denkbar knappen Entscheidungen.

Einige davon habe ich live miterlebt, z.B. als Thomas Morgenstern in Turin 2006 mit 0,1 Punkten Vorsprung vor Andi Kofler Olympiasieger wurde. Der 17. Februar 1980 brachte dem Verfasser eine Einzelgoldene, nebenan im Langlaufstadion von Lake Placid verspielte der finnische Riese Juha Mieto seinen Sieg nach 15km Schinderei um eine Hundertstelsekunde, um läppische 3,3 cm an den Schweden Thomas Wasberg.

Sowas empfindet man als unfaire Haarspalterei, aber immerhin auf Basis präzis ermittelter, nachvollziehbarer Fakten. Nach dem 1980er Mieto-Drama strich der Skilanglauf übrigens die Hundertstelmessung…

 

Beim Skispringen fließen erstaunlich viele Unschärfen in ein scheinbar bestechend klares Ergebnis ein. Die gebotene Exaktheit und Trennschärfe sind aber Scheingenauigkeiten.: Selbst bei der elektronischen Weitenmessung muss auf halbe Meter (0,8 Punkte) gerundet werden, auch die Sprungrichternoten sind zwar eine anspruchsvolle Expertenleistung unter enormem Zeitdruck, aber letztlich fehlbar. Die Kompensationswerte für den Windeinfluss werden vor Ort (mit branchenüblichen kleinen Messfehlern) erhoben. Die Werte werden nach einem zuvor festgelegten und jederzeit veränderbaren Schlüssel in Punkte und Zehntel umgerechnet.

Diese ausgeklügelte Logistik sichert die Durchführung der Wettkämpfe, selbst bei heiklen Windverhältnissen in einer fernsehtauglich kurzen Zeit.

 

Zwangsläufig und ständig mitgelieferte Unschärfen bei Weite und Wind waren am Ende einer Tournee von acht summierten Sprüngen mit Sicherheit größer als die minimalen Punkteunterschiede auf dem Podest in Bischofshofen. Sollte bei sachlicher Betrachtung der „Resultats-Ermittlungskette“, nicht ein gewisser Toleranzbereich bei der Platzvergabe einfließen?

 

Die Hochspringer Mutaz Essa Barshim aus Katar und Gianmarco Tamberi einigten sich bei Olympia 2021 in Tokio und bei übersprungenen 2,37 Metern auf verdientes Gold für beide.

Eine wunderbare Lösung und Exitstrategie, um einen unverdienten und traurigen Zweiten nach einem grandiosen Wettkampf zu verhindern.

 

Wer möchte es den vielen Skisprungfans verdenken, wenn sie nach dem Herzschlagfinale in Bischofshofen das Gefühl hatten, dass alle drei Überflieger aus Widhölzls Hangar einen Adler verdient hätten?

 

Ex Aequo Platzierungen bei inhuman knappen Entscheidungen werden zurecht und immer wieder diskutiert.  Und angesichts der Messungenauigkeit im Skispringen darf es einmal mehr aufpoppen, auch wenn nach wie vor gilt und die Einschaltquoten es spiegeln:

Hochspannung schlägt Gerechtigkeit!

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