Toni Innauer

Baldurs Spuren

Vielerorts, nicht nur im Spitzensport, finden wir die Auswirkungen seines wachen Geistes. Zum traurigen Anlass seines letzten Absprungs wird deutlich, wie viele Menschen sich auf die eine oder andere Art, und nach wie vor, mit ihm verbunden fühlen. Obwohl er dem Leistungssport schon vor Jahrzehnten den Rücken gekehrt hat, poppen im In- und Ausland nicht nur Kurzmeldungen, sondern wunderbar wertschätzende Kommentare und würdigende Nachrufe auf. Seine Methoden, Innovationen, die modernen Ansätze, seine Ideen begründeten eine neue Sportkultur. Seine Sprache und Auftreten, die uneitle Autorität, mit der er sich und unsere Mission erklärte und feine Zusammenhänge verständlich machte, haben sein Charisma ausgemacht und viele Menschen inspiriert.

 

Ein selbst erlebtes kleines Beispiel aus der Trainingspraxis bringt das Trainerphänomen Baldur Preiml besser auf den Punkt als tiefsinnige psychologische Analysen.

St. Moritz im Frühwinter 1974. Alles hat er auf den Kopf gestellt in seinem ersten Jahr als Nationaltrainer. Ich kannte ihn schon aus Stams. Mein Bruder Sigi, der ebendort ein Jahr als Skifahrer überbrückt hatte, sagte: „Du als Skispringer kriegst sicher den Baldi als Trainer, da kannst Du dich drauf freuen…!“ Er sollte Recht behalten, nur war ich mir später manchmal nicht sicher, ob er das zweideutig gemeint hatte.

 

Seit Wochen schon dokterten wir an den verfluchten gummifizierten und ausgerechnet roten Anzügen herum, auch die Sprungschuhe sollten neuerdings eine Wadenstütze haben. Beim Gehen – und damals hatten die wenigsten Schanzen einen Lift – war der Spoiler ein hinderlicher Gräuel. Die „Böcke“ wogen fast doppelt so viel wie meine heißgeliebten DDR-Patschen, die ich dem Bruder von Hans-Georg Aschenbach für gute D-Mark abgekauft hatte. Charly Schnabl, Hans Wallner und mein Spezl Liss Lipburger waren schon eifrig beim Testen. Mich behinderte die vermaledeite Stütze mehr als sie jemals helfen würde. Vor allem beim Aufsprung verlor ich mein Gespür, außerdem scheuerten die Teile unangenehm an Ferse und Außenknöchel.

Wieder einmal dicke Luft in Richtung Trainerturm. Ich wollte streiken.

„Gib her die Schuh, ich trag sie dir einen Tag lang ein“, tönte es herunter. „Wenn sie dann ausgeweitet sind, gibt es keine Ausreden mehr!“ Sein typischer Grinser begleitete meinen Trainingstag, während er doch tatsächlich beim Mittagessen und zum Hallentraining mein bockiges Schuhwerk spazieren trug.

 

„Walk the talk“ erklären die modernen Managementphilosophien. Was blieb mir anderes übrig, als zum eigenen Vorteil mitzuziehen…?

 

Groß und originell sind Baldis Fußstapfen und noch lange nicht vom Schnee verweht!

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