Toni Innauer

Es tuat so weh, wenn ma verliert

…ist eine Erfahrung, die zum Wettkampfalltag gehört. Alle, die wir uns ergebnisoffen auf Herausforderungen einlassen, durchleben sie öfter als Triumphgefühle.

Man braucht sich nur die Setzliste eines Tennisturniers anzusehen und weiß, dass am Sonntag nur eine Person durchgehend gewonnen haben wird. Produziert also ein 128er Raster unweigerlich 127 VerliererInnen? Oder gibt es eine andere Interpretation des Geschehens, nicht gewonnen zu haben. Ist der Zweite tatsächlich der erste Loser?

 

Das Tennis-Herrenfinale in Paris dauerte fünfeinhalb Stunden. Das erste Game habe ich noch in Linz mitbekommen, danach bin ich quer durch Österreich bis Innsbruck gefahren, habe unterwegs einen einstündigen Trainingsstopp auf einer Golfanlage gemacht, und war pünktlich zum Start des fünften Satzes in Tirol.

Ein Champions-Tiebreak entschied den epochalen Tennismarathon nach sage und schreibe fünfeinhalb Stunden zugunsten des frischer wirkenden Carlos Alcaraz.

Das Tiebreak ist, wie das Elferschießen im Fußball, ein Prozess, in dem zwei würdige Champions in wenigen Minuten gnadenlos zu Triumphatoren und Verlierern verurteilt werden.

„The winner takes it all, the loser’s standing small.“ ABBA besangen 1980 jene Stimmung, die sie auch nach dem Matchball über den Court Philippe Chartrier legte. Schmerzverstärkend für Yannik Sinner und seine Anhänger wirkte die Erinnerung an die drei Matchbälle in Serie, die der Südtiroler im vierten Satz und beim Stand von 0:40 nicht nützen konnte. Noch Wochen nach dem Ereignis wünscht man sich immer wieder, die Situation wiederholen zu dürfen, um sie besser zu lösen. Beim Autor sprangen unweigerlich uralte Erinnerungen an eine vergeigte Neun-Punkte-Führung bei Olympia am Bergisel an.

 

Wenn eine Niederlage richtig schmerzt, verweist dies darauf, dass einem das Ziel sehr viel bedeutet und man dranbleiben wird. Um Sinner braucht sich niemand Sorgen zu machen, auch das Preisgeld von € 1.275.000.- zeigt, dass Verlieren relativ ist.

 

Wer nicht vor Spielen zurückweicht, bei denen man auch verlieren kann, wird resilienter. Daher macht Sport auch robuster fürs Leben, weil wir „longterm“ den Umgang mit Rückschlägen erlernen. Scheitern, um sich danach neu zu orientieren, heißt „Wesentliches über die Beschaffenheit der Wirklichkeit zu erfahren und naives Anspruchsdenken zu entlarven“, wie uns der französische Philosoph Charles PEPIN ermutigt.

Erfahrene TrainerInnen wissen, dass es im Sport zwar sporadisch ums Gewinnen, aber meistens um geschicktes und vertrauensvolles Niederlagenmanagement geht.

Pepins Buch heißt übrigens DIE SCHÖNHEIT DES SCHEITERNS.

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