Biathlon läuft sportlich und wirtschaftlich wie am Schnürchen, da passen Dopingdiskussionen und rebellische Sportler nicht ins perfekte Bild.
200.000 Zuseher in Tschechien, volles Haus in Ruhpolding und „auf Schalke“, die Quoten der Fernsehanstalten sind an der Spitze des Wintersports. Längst reicht die Fangemeinde über den Kreis des militärnahen Pulverschmauchs in alle Gesellschaftsschichten.
Biathlon hat es, aus eigener Kraft und ohne Mitglied in der FIS zu sein, geschafft. Gerade, weil sich der Sport eigenständig entwickeln konnte und nicht nur die Brotkrumen rund um die voll beladenen Tische des alpinen Rennsports und des Skispringens einsammeln und vermarkten wollte. Nicht nur für die Werbeflächen in Kitzbühel oder am Bergisel werden stolze Summen bezahlt, der Biathlonweltcup kann da locker mithalten.
Aus einer vermeintlich gestrigen Randsportart ist ein telegenes Premiumprodukt geworden. Als einzigem Kombinationssport gelingt es dem Biathlon, zwei völlig unterschiedliche Disziplinen mit durchgehendem Handlungsbogen in einen fernsehgerechten Zeitrahmen zu spannen. Durch das spezielle Format wird der sportliche Vergleich mit den Leistungen der Spezialisten im Langlauf und Schießen nie zur Belastung. Elegant wurden die sportlichen Ursprünge nicht ins Militär, sondern in die ideologisch unverfänglichere Jagd auf Skiern erklärt. Die alles entscheidende und nervenstrapazierende Regungslosigkeit der Athleten am Schießstand ist ein großer medialer Trumpf. Bei ca. 150 Schlägen/min synchronisieren sich die Pulsfrequenzen von schnaufenden Sportlern und mitfiebernden Zusehern. Die Kameras liefern gestochen scharfe Athleten- und Trainerportraits und die Sponsorlogos schweben wackelfrei und emotionsgetränkt im HD-Bild. Es gibt selten Störgeräusche in der „Biathlonfamilie“ und erfreulich viele Nationen leben gut vom erfolgreichen Produkt.
Nach dem McLaren-Dopingbericht, der 31 russische Biathleten anführt, aber forderte eine Sportlergruppe rund um Superstar Martin Fourcade lautstark harte Bestrafung statt Pseudosanktionen gegenüber Russland. Ihnen gilt mein Respekt, weil sie sich nicht von wirtschaftlichen Sachzwängen und Doppelmoral mundtot machen lassen wollen. Aber wie immer schütteln die selbstgefälligen Pragmatiker den Kopf über die geschäftsschädigenden Querschüsse „dieser Romantiker“. Sie setzen aus Erfahrung darauf, dass sich die Sportler knapp vor der WM beruhigen und auf ihren Job fokussieren müssen, den sie laufend, stehend und liegend zu erledigen haben, während die sportpolitisch heiklen Themen ausgesessen werden können.
Euer Toni Innauer
Die Kolumne wurde am 03.02.2017 in der Tiroler Tageszeitung sowie in den Vorarlberger Nachrichten veröffentlicht.