Toni Innauer

Echte Vorbilder

 

 

Der Rücktritt der Paralympics-Siegerin Claudia Lösch hat mich beeindruckt. Soviel Markantes, Kluges, und Aufrichtiges findet sich sehr selten in Sport-Interviews. Die hochdekorierte Sportlerin steht vor dem Studienabschluss, moderiert auf ORF-Sport+ und absolviert ein Praktikum in der Olympiaworld in Innsbruck. Mit wohlüberlegten Aussagen erklärt sie ihren Abschied aus dem Leistungssport und scheut sich auch nicht, konstruktive Kritik zu üben.

Schon den Alltag zu bewältigen ist für Menschen mit Behinderung eine Art von Spitzensport und manche leisten noch darüber hinaus Großartiges. Wie der, von Geburt an blinde Musiker George Nussbaumer, der kürzlich den Dr. Toni & Rosa Russ-Ring für sein künstlerisches und wohltätiges Wirken entgegennehmen durfte. Georges Vater Hubert gab mir einst wertvolle Tipps beim Hanteltraining.

Ich erinnerte mich auch an die Schreckensmeldung eines meiner Trainer, als unsere Kombinierer-Hoffnung Patrick Hagernaars bei einem Zug-Unfall seinen Arm verloren hatte. Heuer, 15 Jahre danach, radelte Patrick beim Ötztal-Marathon (!!!) mit einer Armprothese aufs Podest in der Eliteklasse.

Diese Beispiele faszinieren, verunsichern und beruhigen zugleich. Das banalste Erlebnis bei persönlichen Begegnungen ist die Erkenntnis, dass die eigene Unversehrtheit keine Selbstverständlichkeit, sondern ein Glück ist. Man kann staunen und Mut schöpfen aus der Widerstandsfähigkeit, der Kreativität und dem geradlinigen Humor dieser besonders geprüften Zeitgenossen. Mit ihrer geschärften Menschenkenntnis sind viele von ihnen ein wertvolles Regulativ in unserer eitlen Verdrängungskultur.

Es sind die echten Probleme und Widerstände, unsere Fehler und Niederlagen die uns vieles über die Beschaffenheit der Wirklichkeit lehren. Wenn ich diese Eindrücke inmitten eines ängstlich auf Optimierung, ewige Jugend, Sicherheit und auch Bequemlichkeit getrimmten modernen Lebens an mich heranlasse, dann berühren und inspirieren mich diese außergewöhnlichen Biografien.

Auch weil sie etwas mit uns selber und unserem Selbst in der Zukunft zu tun haben. „Älterwerden ist die einzige Möglichkeit um lange zu leben“, hat uns Hugo von Hofmannsthal mit auf diese Reise gegeben.

Als ehemaliger Leistungssportler erlebt man beschleunigt, was es heißt, „zum alten Eisen“ zu gehören. Gemessen an ehemaligen Ansprüchen kann man sich leicht eingeschränkt fühlen. Man hat aber auch die Wahl, sich diesem fortschreitenden Prozess und ständig verändernden Realitäten offen zu stellen. Mit Selbstrespekt, Humor und passendem Anspruchsniveau, wie es die Vorbilder weiter oben schon in frühen Jahren leisten müssen.

 

Ihr Toni Innauer

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