Toni Innauer

„Deutschland hat ein starkes Team“

„Deutschland hat ein starkes Team“

Erik ROOS und Günter BREITBART vom Sportinformationsdienst (SID) haben mich im Vorfeld zur Vier-Schanzen-Tournee zum Interview gebeten, welches ich euch nicht vorenthalten möchte:

 

Der Österreicher Toni Innauer (60) wurde 1980 Skisprung-Olympiasieger, die Vierschanzentournee begleitet er als ZDF-Experte. Im SID-Interview spricht er über die Krise in seinem Heimatland und die Stärken der Deutschen.

SID: „Herr Innauer, zunächst einen Blick in die Skisprungszene Ihres Heimatlandes. Was ist los mit den österreichischen Springern?“

 

Toni Innauer: „Natürlich hätte ich mir bessere Resultate meiner Landsleute und auch dem neuen Trainer Andi Felder einen glücklicheren Einstieg gewünscht. Die Tournee bezieht ihre Energie und Dynamik immer auch aus dem Kräftemessen sprungstarker Veranstalterländer. Vor allem Stefan Kraft ist gefordert. Er ist auf Tuchfühlung mit den Besten, es fehlt wenig, aber eben Entscheidendes. Kraft und der begabte Daniel Huber, der sich in dieser Phase besonders profilieren könnte, müssen an ihre Chance glauben, nachdem auch noch Schlierenzauer seine Nennung zurückgezogen hat. Obwohl er gerüchteweise einen neuen ‚roten Faden‘ gefunden haben soll, will er sich nicht wieder zu früh der Konkurrenz und Kritik stellen. Persönlich könnte ich mir, für den Fall weiterer guter Fortschritte, ein Auftauchen ab Innsbruck vorstellen.“

 

SID: „An den Trainer und deren Ausbildung kann es doch nicht liegen, denn immerhin sind es österreichische Skisprunglehrer die – mit Ausnahme Sloweniens – die internationalen Topteams aus Polen, Norwegen und Deutschland betreuen.“

 

Innauer: „Vormals gut gehütete Grundlagen und Ansätze unserer Skisprungkultur sind längst zu internationalem Allgemeingut geworden, österreichische Trainerpersönlichkeiten haben das Niveau der Konkurrenz nach oben geschraubt und dem Nimbus der Alpenadler die Leuchtkraft genommen. Diese Trainer repräsentieren nicht nur die österreichische Schule und deren Knowhow, jeder einzelne ist auch ein ganz besonderer Typ mit seiner eigenen Geschichte. Sie machten nicht nur die Gegner des ÖSV immer stärker, sie waren auch im System nicht von einem Tag auf den anderen zu ersetzen. Mit den Trainern haben auch Servicetechniker und ein Wissenschaftler wie Dr. Pernitsch den Weg nach Deutschland und mit Horngacher nach Polen gefunden.“

 

SID: „Inwiefern erschwert das die Arbeit von Andreas Felder?“

 

Innauer: „Er muss die Herausforderung aus einer schwierigen Startposition annehmen und auf seine Art das Beste daraus
machen. Er kann nicht mehr so aus dem Vollen schöpfen wie zur Zeit der Superadler, und er wird das Glück des Tüchtigen
brauchen, um die verwöhnte rotweißrote Fangemeinde zufrieden zu stellen.“

 

SID: „Im deutschen Team scheint ja auch gerade etwas aus dem Lot geraten zu sein? Oder ist das ein Zeichen für eine Planungsoffenheit im Schuster-Team, wenn Stefan Leyhe und Karl Geiger derzeit die ‚erste Geige‘ spielen?“

 

Innauer: „Die Kompensationskraft des deutschen Teams ist erstaunlich. Die großen Namen und Leistungsträger wie
Wellinger und Freitag haben ihre Leichtigkeit noch nicht gefunden, Freund braucht sichtlich noch Zeit, und trotzdem muss keine Hektik aufkommen, weil sich nämlich Leyhe und Geiger zu Podestspringern gemausert haben. Sowas plant man nicht am ganz großen Schachbrett. Die Entwicklung aber spricht für die Arbeitsqualität im Team und lässt den außer Tritt befindlichen Hochkarätern mehr Zeit und Ruhe, um zu sich und zur Hochform zu finden.“

 

SID: International gibt es den ungestümen Kometen Ryoyu Kobayashi aus Japan. Ist er der Topfavorit?“

 

Innauer: „Kobayashi in seiner atemberaubender Verfassung hat das Establishment gehörig durcheinandergewirbelt. Er ist das
Maß der Dinge, hat Wettkämpfe mit freiwilliger Verkürzung und auch ohne Telemarklandung gewonnen. Das spricht für seine momentane Überlegenheit, ist aber keine Garantie, dass es so weitergehen muss. Es braucht ein starkes Teamgefüge rund um so einen Senkrechtstarter, damit er sich inmitten der wachsenden Ansprüche aus dem Umfeld und den eigenen Erwartungen nicht zu schnell verschleißt. Die Tournee wird der erste ganz große Prüfstein dafür werden. Die Routiniers an der Weltspitze werden es ihm denkbar schwermachen.“

 

SID: „Was trauen Sie dem deutschen Team zu?“

 

Innauer: „Deutschland hat ein starkes Team zur Tournee, Leyhe und Geiger sind vor allem auch durch ihre Konstanz prädestiniert für gute Gesamtränge, Eisenbichler kann, wenn’s mal richtig passt, auch einen Wettkampf gewinnen. Freitag und Wellinger haben schon gezeigt, dass sie, wenn sie richtig in Fahrt kommen, Tourneesiegerkaliber haben, es hat allerdings vor Weihnachten die Form dafür gefehlt. Ein bisschen Zeit bleibt ja noch, den Rest könnte die bekannt prickelnde Atmosphäre ab Oberstdorf auslösen…“

 

SID (Erik ROOS und Günter Breitbart)
Oberstdorf (Bayern, Deutschland)
27. Dezember 2018 11:35

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