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Daniel Kahneman, Nobelpreisträger für Wirtschaft, widmet dem Skispringen in seinem Bestseller „Schnelles Denken, langsames Denken“ einen ganzen Absatz (S223ff). Seiner Meinung nach liegen die Ursachen der, im TV sichtbaren großen Leistungsschwankungen, im Faktor Zufall. Deutlicher als dies vielen Experten und Zusehern bewusst und recht ist. „Das Glück is a Vogerl“, aber auch außergewöhnliches Pech wird nicht von Dauer sein, sondern wird sich bei mehreren Wiederholungen ausgleichen. Die mathematische Gesetzmäßigkeit dahinter nennt Kahneman „Regression zum Mittelwert“.
Den Absprung bei 25 Metern/Sek. Geschwindigkeit pünktlich zu treffen ist schon ein bisschen Glückssache. Noch deutlicher können stark wechselnde Windbedingungen einzelne Wettkämpfe zur regelrechten Lotterie verzerren. Die – für unterstützenden Aufwind und nachteiligen Rückenwind berechneten – Punkteausgleiche, können die Chancen-Ungleichheit nur noch homöopathisch puffern. Extrem changierende äußere Bedingungen können tatsächlich größeren Einfluss auf das Resultat haben, als die Unterschiede in der sportlichen Qualität der Sprünge.
Ein Gedankenexperiment dazu: Bei völliger Windstille werden die individuellen Anlauflängen von 1 – 6 ausgewürfelt: Wer eine Eins würfelt, der hat vergleichbares Pech wie der Springer, der mit dem stärksten, gerade noch erlaubten Rückenwind „grün“ bekommt. Beide könnten gleich im warmen Container bleiben, weil die Glücklicheren bis zu fünf Luken höher starten dürfen.
Ein paarmal pro Saison, zuletzt beim Auftakt in Polen, stehen Jury, Race-Direktor, Trainer, Sponsoren, Medien, Sportler und Zuseher unausweichlich vor dem Dilemma: Die Verhältnisse sind sicherheitstechnisch zwar noch beherrschbar, aber Auf- oder Rückenwind wechseln sich unberechenbar ab. Das ist zwar spannend aber sportlich irregulär: Absagen oder zumindest einen Durchgang durchdrücken…? Meistens wird gesprungen.
Skisprungprofis und deren Trainer sind dabei voll gefordert: Und hinterher müssen sie unverdiente Niederlagen, genauso wie Glückstreffer an diesen Tagen, einordnen und aushalten können. Glückssieger bei Windlotterien erhalten als Draufgabe zu Preisgeld und Punkten gleich noch einen wertvollen Selbstvertrauens-Schub mitgeliefert. Die Pechvögel dagegen haben die mentalen Nacheffekte einer sportlichen Demütigung gut zu verarbeiten. Das ist die notwendige Voraussetzung, um sportlich bereit zu sein, sobald (Kahneman lässt grüßen) eine Prise Aufwind den Sprung aufwerten wird. Wenn es gilt die Gunst der Sekunden zu nützen!
wie im richtigen Leben…