Mein Skispringerherz fühlt und leidet mit den völlig außer Tritt geratenen Nachfolgern. Wenn man lange genug mitgestaltet hat, ist einem diese Situation gleichermaßen bekannt wie verhasst. Die graue Welt der gedemütigten Sportler und Trainer und auch jene eines bedrückten Sportdirektors lastet nicht nur an Regentagen tonnenschwer auf einem. Unsere Generation bekam den Unmut der Fans noch direkt und ungefiltert an der Schanze ab. Der Aufstieg zum nächsten Sprung oder zum „rettenden“ Teambus erfolgte mit geschulterten Latten und zu Fuß mitten durch aufgebrachte Zuseher. Die machen kein Hehl aus ihrer Enttäuschung. Im Hintergrund spielt die Hymne jener Nation, deren Trainer und Fans im Siegestaumel und mit verzückten Gesichtern an einem vorbei zur Zeremonie stürmen.
Heut genießen die Springer am Bergisel den Schutz des schräg fahrenden „Papamobils“. Andernorts schleusen sie Shuttlebusse vorbei an grantigen Anhängern mit verwischtem rotweißroten Lippenstift auf den Wangen. Der vollen Breitseite der zurecht anspruchsvollen Medienwelt ist aber nicht zu entkommen. Bevor man Luft holen kann und die Zeitungen gedruckt sind, hat man eine bitter-salzige Socialmedia-Welle, auf der gerade noch souverän und selbstverliebt gesurft wurde, mitten im Gesicht.
Hektische Ursachensuche, verzweifelte Hoffnung auf ein rettendes Erfolgserlebnis kreisen im Kopf der Verantwortungsträger. Erinnerungen an einen magischen Turnaround werden wach:
Das war am 4. Jänner 1980 nicht anders, als der Autor nach einem Sturz nicht nur am tiefsten Punkt der Bergiselschanze gelegen war. Er hat auch noch die Verzweiflung von Heinz Kuttin in Erinnerung, als jener beim Neujahrsspringen 1991 mit gebrochenem Unterarm und Gehirnerschütterung aus dem Stadion von Partenkirchen getragen wurde. Auch die erfolglose Tournee 2005/6 ist unvergessen: Andreas Kofler war als 8. der einzige Österreicher unter den Top 15 der Tourneewertung, „Experten“ forderten unverhohlen den Rücktritt von Jung-Nationalcoach Alexander Pointner:
Mit vereinten Kräften, Raffinesse und auch Glück wurden jeweils wenige Wochen später legendäre Kapitel der ÖSV-Skisprunggeschichte geschrieben: Kuttin stand bei der WM in Val di Fiemme als Doppelweltmeister ganz oben. Sein Trainer hatte elf Jahre zuvor – mit Urvater Preimls Hilfe in Lake Placid Gold gewonnen.
Auch die Olympiamedaillen von Morgenstern und Kofler in Turin 2006 gelangen unter riesigem Druck und im allerletzten Moment. Die Karriere des Trainers Pointner war gerettet…
Noch ist Zeit bis zu den Spielen und wieder wartet der Kulm dazwischen!
Ihr Toni Innauer
Vorschnell wird der Kopf des Trainers gefordert, um ihn später hochzujubeln. Lasst sie doch in Ruhe nach bestem Wissen und Gewissen Arbeit. Unruhe war noch nie ein ErfolgsGarant.