Toni Innauer

Glanz im Scheitern – Thiem NY 2022

Glanz im Scheitern – Thiem NY 2022

Im letzten Monat habe ich zwei Niederlagen von Dominic Thiem live miterlebt. Die im proppenvollen Kitzbüheler Stadion und jene vor dem Bildschirm in New York. Unterm Hahnenkamm hätte ich heucheln müssen, um die Vorstellung als vielversprechend zu bezeichnen. Seit den US-Open und trotz der Erstrunden-Niederlage glaube ich wieder an Thiems Rückkehr in die Weltklasse.

Sein Ausscheiden in Amerika hat zwei Seiten. Abgang in der ersten Runde „seines“ Grand-Slam-Turniers. Geschlagen von einem Pablo Carenno Busta, gegen den er bis dahin eine makellose 7:0 Bilanz hatte, klingt schon ernüchternd.

Man kann aber auch sehen, dass es seit seiner Handgelenksverletzung und im Laufe des mühseligen Comebacks das erste Match war, bei dem viele Sequenzen dabei waren, die ohne Schönreden an seine Glanzzeiten erinnerten. Mit ein bisschen mehr Konstanz und ein einigen Eigenfehlern weniger hätte es klappen können gegen die Nummer 15 der Weltrangliste. Für mich verblassen das nackte Ergebnis und die „Hätte-wäre-Logik“ aber völlig neben den frischen Akzenten die Dominic endlich lieferte.

Es ist das Los eines Tennisspielers im Comeback-Modus, dass er sich der gnadenlosen Realität vor Publikum stellen muss, obwohl er noch nicht in Topform ist. Diese Konstellation lässt sich im Training nicht simulieren. Nur das öffentliche „Fegefeuer des Ernstfalls“ setzt das volle Spektrum an Reizen. Entscheidend ist nicht das Resultat, sondern der Lern- und Entwicklungsprozess, auf dem medialen Präsentierteller alle Register gezogen werden.

Natürlich wäre ein Sieg eine Erlösung gewesen, viel wichtiger ist aber, dass sich endlich innere Blockaden und Schleußen gelockert haben und Energien frei geworden sind. Thiems Schläge klangen in Kitz noch dumpf und harmlos. Seine ehemals gefürchteten Waffen waren bemühter, aber harmloser Abglanz vergangener Triumphe.

In New York bellte wieder jener aggressive Knall über den Court, den Busta so gut als Begleitmusik früherer Begegnungen kannte. Oft genug war er unentrinnbar in die „Vorhandmühle“ seines Angstgegners geraten.
Dominics geschundenes Handgelenk ließ sich phasenweise wieder peitschen wie in den besten Zeiten. Mutig und früh genommene Bälle mit einem schwer auszurechnenden Eigenleben aus Drall und Geschwindigkeit sorgten für Aufruhr und teilweise Überforderung in Bustas Hälfte. Bei Dominic blitzten Rasanz und Spannkraft auf, couragiert schoss er sich aus der überforderten Opferrolle, wollte selber gestalten. Phasenweise gelang es überzeugend.

Die Lust und Freude an der Wirksamkeit der eigenen Schläge kehren zurück. Vorübergehender Kontrollverlust, Fehler und auch das Ausscheiden hat er für diesen entscheidenden Schritt mutig in Kauf genommen.

 

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