Toni Innauer

Offener Brief an FIS-Präsident Johan Eliasch

Offener Brief an FIS-Präsident Johan Eliasch

Sehr geehrter Herr Präsident,
lieber Johan,

obwohl es unpopulär ist, möchte ich dringlichst darauf aufmerksam machen, dass Gefahr in Verzug ist. Die Entscheidung, Frauen zum Skifliegen zuzulassen birgt große Risken. Als unabhängiger Experte, Beobachter, Skiflieger, Trainer, langjähriger Verantwortungsträger und Mitgestalter der Sportart der sich aufgeklärtem und sachlichem Analysieren verpflichtet fühlt, möchte ich meine Bedenken deponieren und darstellen. Ich vertrete dabei keinen Skiverband und keine andere Interessensgruppe im Skisport.

Die Komitees des Internationalen Skiverbandes haben, auch mit der Stimme des ÖSVs kürzlich beschlossen, dass die besten fünfzehn Frauen, unter bestimmten Auflagen, bereits in der nächsten Saison in Vikersund an den Start gehen werden.

Vor den Sitzungen wurde u.a. von der Norwegischen Athletenvereinigung NISO und der LO, dem größten Norwegischen Gewerkschaftsdachverband mittels offiziellem Schreiben Druck auf die Vorsitzenden der FIS-Komitees gemacht. Wörtlich wird in dem angehängten Schreiben an Mario Stecher, Vorsitzenden des Subkomitees für Kalenderplanung für FIS-Skispringen „stark darauf gedrängt“, Skifliegen in den offiziellen Kalender aufzunehmen. Die gegen Frauenskifliegen vorgebrachten Bedenken und Argumente, wären offenbar alle „substanzlos“.

Die Norwegische Athletenunion untermauert ihr Anliegen, Frauenskifliegen freizugeben, mit Verweis auf EU-Recht, Gleichstellung von Frau und Mann hinsichtlich Anstellung und Beschäftigung, dem Bosmanurteil, dem „Gender Equality Act. Die Diskriminierung von weiblichen Skispringerinnen wäre eine inakzeptable Praxis, die sofort zu beenden wäre. Die Komiteemitglieder haben offenbar die Konfrontation mit dem beeindruckenden und im Sport ungewöhnlichen Drohszenario gescheut und Entscheidungen im Sinne des immensen norwegischen Drucks getroffen.

Warum haben wichtige biomechanische, medizinische, und ethisch moralische Argumente keinen Eingang in den Entscheidungsprozess gefunden, bzw. warum wurden sie nicht schlagend?

Für mich besteht kein Zweifel, dass Frauen beim Skifliegen großartige Leistungen zeigen können. Der relevante Unterschied zu ihren männlichen Sportkollegen liegt nicht so sehr in der sportlichen Leistungsfähigkeit, sondern in den zu erwartenden Problemen bei einem typischen Skiflugsturz, wie ihn Daniel Andre Tande oder Thomas Morgenstern in jüngster Zeit erlebt hatten. Es ist unausweichlich, dass, genauso wie bei den Männern, auch die Besten der Frauen eines Tages stürzen werden. Die Aufprallwucht ist bei Stürzen im Skifliegen (Weiten bis 250m) aufgrund der Schanzengröße und der höheren Anlaufgeschwindigkeit deutlich größer als beim Skispringen, größer als auf den sogenannten Großschanzen mit Sprungweiten bis zu 140m.

Die Anlaufgeschwindigkeit der Frauen muss, um so eine Flugschanze sinnvoll springen zu können – wie die Praxis auf Normal- oder Großschanzen zeigt – deutlich über der Geschwindigkeit der Herren liegen.

Daraus ist logisch zu schließen, dass die Aufprallwucht einer Frau – im Falle eines Sturzes wie bei Tande – noch größer sein wird.
Zusätzlich ist in Betracht zu ziehen, dass der Körper einer, in unserer Sportart auf Leichtgewicht getrimmter Frau, aufgrund des geschlechtsspezifisch geringeren Muskelanteils am Gesamtkörpergewicht, weniger widerstandsfähig ist als der eines Mannes. Tande musste im Auslauf der Flugschanze wiederbelebt und in ein künstliches Koma versetzt werden. Es ist zu befürchten, dass die Folgen für eine, gleichermaßen verunfallende Frau, fatal sein können.

Anders als in Sportarten wie Rodeln oder Bobfahren, können Frauen beim Skifliegen nicht von einer niedrigeren Startrampe losfahren, um die auftretenden Kräfte kleiner zu halten. Um eine Schiflugschanze gleich wie Männer nützen zu können, muss die geringere Absprungkraft der Frauen mit gesteigerter Anlaufgeschwindigkeit kompensiert werden.
Dieser Zusammenhang und das damit einhergehende größere Risiko für Frauen ist zu würdigen und zu bewerten. Es geht am Kern einer ausgewogenen und verantwortungsvollen Beurteilung vorbei, wenn physikalisch-biomechanische Zusammenhänge und Unterschiede und die dadurch drohende Gefahr fahrlässig negiert werden und schwerpunktmäßig eine Gleichstellungdebatte daraus gemacht wird.

Ich wünsche meinen skispringenden Kolleginnen die unbeschreiblich schöne Erfahrung von geglückten Flügen auf einer dieser Riesenschanzen, die ich als junger Mann machen durfte. Leider machten meine Generation und ich als Pioniere des Sports auch zahlreiche bittere und schmerzhafte Erfahrungen. Manche davon hätten verhindert werden können. Als Absolvent eines Sportstudiums, Trainer, Lehrer, ÖSV-Sportdirektor und Vater setzte ich mich, mit einem geschärften Sensorium und abseits von Nations- und Geschlechtskategorien, jahrzehntelang für die sichere Entwicklung, besonders auch des Frauenskispringens ein.

Lieber Johan Eliasch. Seit Deinem Amtsantritt habe ich relativ wenig zu zukünftigen Perspektiven des Skispringens in der FIS vernommen. Der vorliegende Sachverhalt ist in mehreren Dimensionen heikel aber umso mehr bedarf er einer ruhigen und fachkundigen Beurteilung, gerade auch von oberster Stelle.

Ich bitte Dich, die von den Komitees getroffenen Entscheidungen, auch wenn dies unpopulär ist, objektiv, biomechanisch, medizinisch, allenfalls auch juristisch sorgfältiger prüfen zu lassen.

Hochachtungsvoll, mit bestem Dank
und mit sportlich-kollegialen Grüßen aus Österreich,
Mag. Toni Innauer

Den Brief werde ich persönlich an folgende Adressen senden:

Tiroler Tageszeitung, Innsbruck Österreich
Roswitha Stadlober, ÖSV-Präsidentin
Mario Stecher, ÖSV, Vorsitzender des Kalenderkomitees in der FiS
Mika Kojonkoski, Vorsitzender des FIS-Sprunglaufkomitees
Sandro Pertile, FIS Racedirektor Skisprung-Herren
Chika Yoschida; FIS Racedirektorin-Frauen
Prof. Dr. Wolfram Müller, Biophysiker Graz
Dr. Birgit Streif, Präsidentin der Tiroler Rechtsanwaltskammer
Walter Hofer Ex-FIS-Racedirektor Skispringen
Prof. Hermann Schwameder, Sportuniversität Salzburg
Prof. Gunter Gebauer, Universität Berlin

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