Toni Innauer

Tod, Wirklichkeit, Scheitern und Glück im Fußball

Tod, Wirklichkeit, Scheitern und Glück im Fußball

Foto: Saphenus

 

 

Dänemark steht im Viertelfinale! Ihrem Starspieler Erikson geht es wieder gut. Er musste im Spiel gegen Finnland wiederbelebt werden, die Schockwirkung dieses Ereignisses und auch die Empörung darüber, dass das Spiel nicht abgebrochen wurde, sind längst der Hoffnung auf den nächsten Aufstieg gewichen. „The games must go on.“ klingt banal, ist aber konsequent. Der Sportphilosoph Gunter Gebauer sieht eine der unerhörten Stärken des Sports darin, „so zu tun, als gäbe es den Tod nicht, ihn für eine Zeit vergessen zu machen“.

 

Der französische Weltstar Kylian Mbappe scheiterte im Elfmeterschießen am Schweizer Jan Sommer. Ist es besonders bitter, wenn der bestbezahlte Spieler am Platz verschießt, oder ist es großartig, dass es – unabhängig von Status, Prominenz und Kontostand – im Sport eben jedem passieren kann?

Der Franzose Charles Pepin hat 2016 eine kleine Philosophie der Niederlage mit dem wunderbaren Titel „Die Schönheit des Scheiterns“ geschrieben. Darin zitiert er Samuel Beckett ausgerechnet vom Unterarm-Tatoo des Schweizer Tennisprofi Stan Wawrinka.: „Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“
Ein Trost für den Jungstar von Paris SG, aber auch eine poetische Kurzbeschreibung von Entwicklung, Auftritt, grandiosem Scheitern und Abgang unseres Nationalteams bei dieser EM!

 

Nationalteamfußball ist ein wohltuend relativierendes Korrektiv zu den zusammengekauften Hierarchien im Clubfußball. Die EM zeigt, wie limitiert menschlich manche Superstars in ihren Nationalteams und ohne ihre genialen Clubmitspieler sind. Als polnischer Mittelstürmer blieb der regierende Weltfußballer Lewandowski – ohne sein bayrisches Umfeld – ähnlich glanzlos wie sein Vorgänger Lionel Messi seit Jahren im argentinischen Nationalteam. Scheitern ist immer auch ein Lernprozess und lässt uns die Beschaffenheit der Wirklichkeit im schmerzhaften Kontrast zu den eigenen Wunsch- und Größenvorstellungen erkennen.

 

Diese Fußball-Wirklichkeit wird neuerdings mittels Videoschiedsrichter zentimetergenau aufbereitet und vermessen. Immer mehr Zuschauer und Zuschauerinnen werden mithilfe des VAR zu Experten für die zuvor undurchschaubare Abseitsregel, und am Ende braucht man im Zentimeterbereich doch wieder Glück.

Das wunderschöne Kopfballtor von Marco Arnautovic gegen Italien wurde leider zurecht aberkannt. Wie sehr das Spielglück doch den Ausgang eines Matches beeinflussen kann und wie untrennbar das Phänomen Zufall mit der Faszination von Fußball verknüpft bleiben wird.

 

Ihr Toni Innauer

 

 

 

One thought on “Tod, Wirklichkeit, Scheitern und Glück im Fußball

  1. Hans Auer

    Lieber Toni,
    dein Kommentar gefällt mir ausgezeichnet. Das „schöne“ und gleichzeitig „menschliche“ im exponierten Spitzensport ist doch eben das „Scheitern mit Würde“ bzw. das „Unvollendete“. Wir älteren Jahrgänge erinnern uns vielleicht noch an Größen wie Juha Mieto (an 50 km Gold durch Hundertstelmessung ein zweites mal „vorbeigeschrammt“) oder Aksel Lund Svindal (Streifsieg in Abfahrt fehlt), die vielen entscheidenden verschossenen Elfer (angefangen von Roberto Baggio, … bis jüngst Mbappe). Beim Satz „…Beschaffenheit der Wirklichkeit im schmerzhaften Kontrast zu den eigenen Wunsch- und Größenvorstellungen“ könnte man vielleicht „Größenvorstellungen“ durch „Wahnvorstellungen ersetzen.
    Was ich weniger verstehe, sind SpitzensportlerInnen a la Serena Williams: Sie muss doch niemanden mehr was beweisen und wirkt verbissen, nur wegen dieses einen weiteren Grand-Slams. Sie soll doch ihren bisherigen Erfolge und das Leben mit ihrer Familie genießen, sie ist so und anders eine Legende. Ihre Tochter denkt sich sicherlich ab und zu: Warum ist die Mama so unentspannt und verbissen….;-)

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