Toni Innauer

Werner Franke – Molekularbiologe und Draufgänger

Molekularbiologe und Draufgänger Prof. Werner Franke ist tot.
Der deutsche Zell- und Molekularbiologe hinterlässt im Leistungssport eine Lücke, die nicht zu schließen ist. Er war ein Original mit überragender fachlicher Expertise, über alle Zweifel erhabener Autonomie und mutiger Streitbarkeit.
„Ich bin ein Besessener!“ sagte er von sich selbst.
Damit meinte er seinen Einsatz als schonungsloser Aufklärer und beinharter Dopingkritiker.
Ihm konnte keiner etwas vormachen.

Mit seiner Frau, der Medizinerin Brigitte Berendonk, einer ehemaligen Kugelstoßerin, schrieb er das Standardwerk „Doping, von der Forschung zum Betrug“.
Mit Fachwissen, detektivischem Instinkt und unerschrockenem Kampfgeist nahmen sie gemeinsam das Staatsdoping der DDR auf die Hörner. Sie retteten die streng geheimen Dopingakten im letzten Moment, aus dem Tresor eines Militärspitals vor der Vernichtung, und sie machten die atemberaubenden Fakten 1991 öffentlich.

Er kehrt aber auch schonungslos vor dem westlichen Portal seines Landes und scheute dabei nicht vor nationalen Heiligtümern zurück. Er gewann u.a. eine vierjähre Prozess-Tour gegen das deutsche Telecom Radteam und Jan Ullrich. „Der verratene Sport“ erschien 2007.
In Heidelberg hielt der bissig-humorvolle Westfale seine Vorlesung „Zur Sucht des Staates nach Medaillen“. Als Student war er nicht nur als Leichtathlet und Trainer, sondern auch als Satiriker aktiv und erfolgreich.
Die Wissenschaft zollt ihm höchste internationale Anerkennung, er leitete die Abteilung Zellbiologie am Deutschen Krebsforschungszentrum. „Gene und Proteine, die ich entdeckt habe, tragen den Namen, den ich ihnen geben durfte, auch wenn ich schon in der Grube liegen werde.“

Seine Forschungen machten ihn weltbekannt und unabhängig. Von letzterem Privileg machte er – im Sinne von Fairness und Gesundheit im Profisport – großzügig Gebrauch; immer direkt, aber nicht plump, immer uneigennützig und stets auf seine Rechnung.

Bei einer Podiumsdiskussion in Wien fragte ich den Mittsiebziger, ob er denn einen Nachfolger im inhaltlich sturmfesten und unerschrockenen Kampf gegen Doping sehe.
„Über mir ist nur der blaue Himmel, in meiner Position bin ich völlig unabhängig und kann es mir leisten, so provokant aufzutreten. Ich sehe einige, die dafür fachlich qualifiziert und unabhängig genug wären, aber leider niemanden in meinen Fußstapfen…“, bedauerte der Getriebene.
Wem die Grundsubstanz des Leistungssports und dessen Prinzipien – nicht nur die darin bewegten Geldsummen – etwas bedeuten, dem schwant, dass ohne das gefürchtete Korrektiv Werner Franke eine neue Zeitrechnung beginnen könnte.

 

 

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