Toni Innauer

STAMS-Doku

Vor 50 Jahren schaffte ich meine Aufnahmeprüfung, durfte mir den roten Schulpullover kaufen und mit Stolz überziehen. Im rechten der beiden beeindruckenden Türme der Basilika machte ich sieben Jahre später halbwegs erfolgreich die Reifeprüfung. Als „100%iger Stamser“ habe ich meine Frau dort kennengelernt, unser Jüngster war drei Jahre lang Schigymnasiast.

Die Jahre als Lehrer, Trainer und Erzieher in Stams waren die schönsten meines Berufslebens. Als Ehemaliger bemühte ich mich, den besonderen Geist dieser Institution zeitgemäß weiterzuentwickeln. Ein Geist, der nicht vererbt wird, er muss immer wieder und in jeder Trainingsgruppe neu entfacht werden. Als „Segen der kleinen Schar“, bezeichnete Baldur Preiml die exquisite Möglichkeit, als Trainer eine ideale Gruppengröße von acht bis neun Sportlern fördern, fordern und inspirieren zu können.

Als frischer Uni-Abgänger fand ich meine Aufgabe in der individuellen Begabtenförderung. Die Talente lagen dabei nicht nur im motorischen Bereich. Mit vielen meiner damaligen Schüler bin ich immer noch in Kontakt, obwohl sie, bis auf wenige Ausnahmen sportlich nicht an die Weltspitze kamen. Einige, wie Alexander Pointner, Heinz Kuttin oder Janko Zwitter haben den Sport als Trainer geprägt. Andere sind erfolgreiche Unternehmer, Lehrer, Medienschaffende, Architekten oder Programmierer. Diese wesentliche Leistung der Schule und die Magie der vertrauensvollen Beziehungsebene zwischen SchülerInnen, Eltern, Trainern und Lehrerinnen sucht man im Film vergeblich.

Es wird schonungslos auf den selbstverständlichen und verrohten Umgang mit dem omnipräsenten Verletzungsteufel hingehalten. Das ist leider ein reelles Abbild eines jahrelangen und erschreckenden Verdrängungs- und Gewöhnungsprozesses!

Viel zu kurz kommen andererseits die feinen Kraftlinien des Sports in dieser Spezialschule. Triste, nebelverhangene Bilder und monotonisierten Sequenzen haben den Sound einseitiger Sportkritik der Siebzigerjahre. Damals schon wurde Spitzensport als entfremdete und ausbeuterische Fließbandarbeit angeprangert, Leistung undifferenziert als Zwangssystem kritisiert. Damals wie heute gilt, dass man den Menschen zu vielem zwingen kann, aber niemals zu einer Weltklasseleistung. Dazu gehören nicht nur die gern zitierte Willenskraft, sondern Freiwilligkeit, Raffinesse, Mut, G‘spür, Begeisterung und viel Humor.

Warum hat das Filmteam bestenfalls in der Freizeitgestaltung der Schülerinnen Restbestandteile dieser Faszination entdeckt? Waren die Akteure vor laufender Kamera doch gehemmter als gedacht oder die Trainer zu wenig überzeugt von ihrem Handwerk um es entsprechend interessant zu machen. Oder hat sich der besondere Stamser-Geist über die Jahre am Ende doch verflüchtigt?

Der Film ist jedenfalls ein Weckruf!

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